Wohin hatte dieser vermaledeite Vogel sie geführt? Es war sowieso lächerlich, dass sie einem Spatz gefolgt war.

Na los Lassie, was soll ich hier?

Doch der kleine Spatz hopste herum, als wüsste er überhaupt nicht, dass er gemeint war. Sie hatte ihn Lassie genannt, weil er sich vor einer halben Stunde wie der Hund aus der alten Fernsehserie aufgeführt hatte. Er schilpte ganz aufgeregt und hopste dann davon, um kurz darauf wieder zurück zu fliegen und an ihrem Hosenbein zu picken. Das ganze wiederholte sich solange, bis Barbara sich erbarmte ihm zu folgen, wie einem Hund und jetzt tat er ganz harmlos.

Spielen wir plötzlich normaler Vogel, ja?

Barbara schüttelte den Kopf und sah sich um. Die kleine Seitengasse war ihr noch nie aufgefallen, obwohl sie Jahre lang, auf dem Weg vom Kinderheim zur Schule, daran vorbei gegangen sein musste. Sie stand vor einem großen Schaufenster und weil Lassie noch immer keine Anstalten machte, sich zu bewegen, zuckte sie mit den Schultern und schaute sich an, was der unscheinbare Laden anzubieten hatte.

Leise seufzte sie. Es war so ein Esoterikkram, Silberschmuck in Sonne, Mond und Sternform, billige Edelsteine, Tarrotkarten, Kerzen und Tee in ausgefallenen Geschmacksrichtungen.

Davon hatte sie die Nase voll, genau wie von den selbsternannten Hexenzirkeln. Das waren doch nur alles Schulmädchen, die sich etwas darauf einbildeten „besonders“ zu sein, auch wenn sich das Besondere auf die Vorliebe für schwarze Klamotten und hochnäsiges Geschwafel beschränkte.

Vielleicht war sie ungerecht, sicherlich waren nicht alle so, aber es fiel ihr schwer nicht enttäuscht zu sein.

In der heutigen Zeit eine Hexe zu sein, war wirklich nicht einfach. Da gab es diesen leidigen Schönheitswahn, der jede ordentliche Hexenwarze zur Herausforderung machte, die frechen Kinder, die sich nicht mehr erschrecken ließen und immer Widerworte geben mussten, von den Immobilienpreisen eines ordentlichen Hexenhäuschens mal ganz abgesehen. Auf der anderen Seite war es schon sehr beruhigend, dass man nicht mehr auf dem Scheiterhaufen landete, weil man neben einer verendeten Kuh stand. Und es war noch schwerer als Junghexe ohne Anleitung zu lernen, wie man eine richtige Hexe wird.

Ihre Mutter war eine richtige Hexe, auch wenn sie keine schwarzen Kleider trug oder nachts alberne Lieder sang, um die Mondgöttin um die Liebe des milchgesichtigen Jungen aus der Parallelklasse zu bitten. Aber ihre Mutter war nicht mehr da. Sie verschwand, als Barbara noch ganz klein war.

Es lagen auch einige Bücher im Schaufenster. Zwar war „Wassergymnastik – finden sie in den Wellen ihre innere Mitte“ kein Buch, dass sie interessierte, aber mit Kräuterwissen und historischen Erläuterungen zum Hexenkult konnte man selbst in einem Esoterikladen nicht viel falsch machen und wer weiß, vielleicht fand sie ja etwas Sinnvolles.

Obwohl es schon langsam dunkel wurde, brannte in dem Laden noch Licht. Zaghaft öffnete Barbara die Tür und erwartete ein mehr oder weniger melodisches Gebimmel. Es schien, dass so etwas zur Standardausrüstung eines jeden Esoterikgeschäftes gehörte. Aber es blieb still, als wollte die Tür sie nicht verschrecken. Das Innere des Ladens sah mehr nach Apotheke aus, als nach übersinnlichem Krimskrams. Alles war in übersichtlichen, hellen Regalen geräumt. Es roch sogar ein wenig nach Apotheke, der Geruch von Badezusatz und Hustenmedizin mischte sich angenehm mit Zitronenmelisse, alten Büchern und etwas, dass ihr aus der Kindheit bekannt vorkam. Barbara schloss die Augen und versuchte sich daran zu erinnern, was es war, doch sie sah nur die wenigen Erinnerungen an ihre Mutter, die wie alte, vergilbte Fotos in ihrem Kopf aufflackerten und die sie wie einen Schatz hütete.

Erleichtert stellte sie fest, dass sie hinter der dicken, weißen Holztheke keine Verkäuferin sah. Dafür war Lassie unbemerkt herein gehüpft und bekuckte sich die Federn der Traumfänger, die nach Größe sortiert von der Decke hingen. Barbara kam es fast so vor, als sähe der kleine, grau braune Vogel neidisch auf die farbenfrohen Flughilfen.

Wenn du möchtest, male ich dich an.“ schlug sie dem Tier vor und bekam ein lautes Schilpen als Antwort, welches sie schmunzelnd als empörtes „Nein“ interpretierte.

Ist ja schon gut.

Sie ging an einem Kalender mit Segenssprüchen von Engeln vorbei und durch Gänge angefüllt mit Räucherwerk und Ölen. Die Bücher über Kräuter fand sie weit hinten im Laden. Die praktischen Regale waren nach Kategorien und alphabetisch sortiert. Das gefiel Barbara. Sie selbst liebte die Ordnung, auch wenn die naseweisen Möchtegernhexen aus der Schule behaupteten, dass eine richtige Hexe das Chaos anbetete. Sie entschuldigten ihre eigene Liederlichkeit oftmals damit, dass die Natur ja auch chaotisch wäre. Aber Barbara sah das anders. Die Natur war ein Sinnbild der Struktur. Einiges war offensichtlich, wie das System der Jahreszeiten, anderes war schwerer zu durchblicken, zum Beispiel die evolutionäre Entwicklung von Flora und Fauna in gegenseitiger Abhängigkeit. Der Mensch an sich war eine systematische Komposition der Ausgewogenheit. Ihre Mutter sagte immer: „Ein Platz für alles, und alles an seinem Platz.“

Vielleicht würde sie nun öfter her kommen. Barbara fühlte sich wohl in den aufgeräumten Gängen, auch wenn sie zwischen „Nesselkraut – heilsam für Mensch und Tier“ und „Praxis des Schamanentums“ ein Buch über Outdoor-Camping fand. Jedenfalls gehörte alles in die Kategorie „Natur“, wie ein kleinen Schildchen oben am Regal Auskunft gab.

Neugierig suchte Barbara nach dem Schild auf dem „Geschichte“ stand. Als sie näher kam, sah sie, dass neben dem Bücherschrank ein weiterer Gang abzweigte. Weil er kaum beleuchtet war, hätte sie ihn fast übersehen. Naja eigentlich war es eher ein Kabuff, gerade tief genug, dass man beim vorbei gehen den antiken Schrank in der hinteren Ecke übersah. Dabei war die Holzarbeit eine wahre Schönheit. Die opulente und hervorragende Schnitzerei entsprach so gar nicht der sonstigen Ausstattung des Ladens. Die Holzwände waren mit einzelnen Blüten und schlanken Blätter verziert und oben saß, wie eine Krone, eine Lilie.

Auf der rechten Seite hing an einer Art Dorn, der aus den oberen Ecken ragte, ein Messingschild, glänzend poliert und doch sah man, wie alt das es war. Darauf stand in schnörkeliger Schrift „Geheime Schätze“.

Und kostbar sahen die Bücher in diesem Regal wirklich aus. Barbara roch das Leder, in das viele der alten Bücher gebunden waren.

Das Regalbrett in Augenhöhe war leicht gekippt und darauf lag, in der Mitte aufgeschlagen, ein einzelnes Buch. Wie gebannt starrte Barbara auf die geradlinige Handschrift, mit der die Seiten gefüllt waren.

Ein Grimoire!

Die heiser geflüsterten Worte erschreckten Barbara, die gar nicht bemerkt hatte, dass ihr der Gedanke aus dem Mund gehuscht war. Hastig schlug sie die Hände vor den Mund und schaute um die Ecke nach der Verkaufstheke, doch niemand schien sie gehört zu haben. Bis auf den kleinen Vogel war niemand zu sehen.

Passt du auf, Lassie? Wenn jemand kommt, warnst du mich mit einem lauten Tschilpen. Einverstanden?“ Der kleine Vogel piepste verschwörerisch.

Lächelnd drehte sich Barbara wieder zum Buch zurück. Sie platzte fast vor Neugierde, ob sie hier tatsächlich ein echtes Zauberbuch gefunden hatte. Vorsichtig blätterte sie die schweren Seiten um, auf denen jemand mit viel Sorgfalt Rezepte und Anleitungen für Rituale zusammen getragen hatte. Als sie mit den Fingerspitzen über die verblasste Tinte strich, fühlte sie die Magie, die darin gebunden war. Ihr schlug das Herz bis zum Hals. Sie hatte einen wahren Schatz gefunden und sie konnte die Finger nicht davon nehmen. Sicher war das Buch viel zu teuer für sie. Es zu kaufen, kam nicht in Frage und um so länger sie darin blätterte, um so größer war die Wahrscheinlichkeit, dass doch noch eine Verkäuferin auftauchte und sie davon jagte. Aber sie konnte es nicht einfach liegen lassen. Als wollte sie sich jede Seite einzeln einprägen, schlug sie eine nach der anderen um.

Sie war auf der ersten Seite angekommen. Jemand hatte sich viel Mühe gegeben den Titel mit kleinen Zeichnungen zu verzieren. Darunter stand in der ordentlichen Schrift, die Barbara so mochte, der Name der Hexe, der dieses Buch einst gehörte.

Für einen Moment konnte sich Barbara nicht bewegen, dann klappte sie das Buch zu und steckte es in ihre Tasche. Einfach so.

Als sie sich an den Traumfängern vorbei schlich, glaubte sie aus den Augenwinkeln zu sehen, wie die Augen der Pfauenfedern ihr verschwörerisch zu zwinkerten. Erst draußen bemerkte sie, dass sie den Atem angehalten hatte. Sie hatte noch nie in ihrem Leben etwas gestohlen und sie schämte sich schon jetzt dafür. Noch könnte sie es zurück bringen, denn niemand hatte sie bemerkt.

Barbara sah zu dem kleinen Vogel hinüber, der mit ihr hinaus geflattert war. Sie glaubte in den winzigen Kaffeebraunen Knopfaugen einen Vorwurf zu lesen.

Aber es ist das Buch meiner Mutter!“, stieß sie protestierend hervor und stürmte davon.

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Fingerübung
Muse Karfie:
Wassergymnastik, Tee, Kalender, Kaffee, Outdoor

Wenn es euch interessiert, ob Barbara das Buch wieder zurück bringt, wer ihr nun hilft eine richtige Hexe zu werden, was der kleine Vogel Lassie mit all dem zu tun hat und was man gegen Möchtegernhexen unternimmt, der schreibt mir bitte einen Kommentar. Vielleicht gibt es ja eine Fortsetzung der Geschichte.

Plasmaabweisend

03. Jun 2011

„Ach jetzt komm schon!“

Genervt richte ich meine geliebte Kanone auf die antike Kommode vor mir.
„Du weißt, es ist für uns beide einfacher, wenn du freiwillig gehst.“

Wenn es sein muss, bin ich ziemlich gut mit der Waffe. Wobei man ein so großes Möbelstück auf diese Entfernung kaum verfehlen kann. Aber ich hasse es, wenn ich sie erschießen muss.

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Binge

30. Jan 2011

Laura hebt die Nase schnuppernd in den Raum. Sie wirft einen Blick über die Schulter, zwinkert und beugt sich dann mit ihren Rundungen behäbig zum Backofen hinunter, um in die Hitze zu starren.

Ich liebe das Backen. Es duftet so lecker.“ Sie richtet sich wieder auf und dreht sich zur Wohnzimmertür.

Ihr könnt es ja leider nicht riechen.“ Freundlich lächelnd starrt sie in die Luft, obwohl sie allein ist in der Wohnung.

Mit wem ich rede, wenn ich doch allein in der Wohnung bin? Na, mit euch! Also, ich sag es besser gleich, ich bin nicht ganz dicht. Ich hab offiziell eine Macke, denn ich glaube, dass ich eine Figur in einem Buch bin, oder eher in einer Geschichte. Ein Buch ist vielleicht zu viel für mich ganz allein.“

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Über dem Moor, dort wo die Wiesen langsam zum Sumpf werden, schwebt ein kleines, eisblaues Flämmchen. Ein zartes Wispern weht durch die Rispen des Grases, das über den Sumpf gewachsen ist und ihn harmlos aussehen lässt.
Hinter dichtem Gebüsch halten sich die drei Kinder erwartungsvoll an den Händen. Kein Ton kommt
ihnen über die Lippen, die zu einem erstauntem Ohh geformt sind. Das Mädchen mit dem hellblonden Wuschelkopf, klammert sich ängstlich an ihren
Bruder, als die Flamme beginnt zu wachsen. Mit zusammengekniffenen Zähnen erträgt dieser den schmerzhaften Griff seiner Schwester, ohne sich zu wehren. Thomas ist kaum älter als seine Schwester Lina. Sein Haar ist ebenso flachshell, aber kurz geschnitten und vor lauter Aufregung stehen sie wild und stachelig von seinem Kopf ab.

Langsam formt sich aus dem flackernden blauen Schimmer ein Körper. Ein Mädchen, fast noch ein kleines Kind, in bodenlangen, losen Gewändern, die sich im Wind der lauen Frühlingsnacht sacht bewegen. Die schmächtigen Hüften der leuchtenden Silhouette werden von lockigen Haaren umspielt.
Von ihr geht ein fahles, bläuliches Licht aus, welches dem Moor sein frisches Grün raubt, das der Frühling brachte und das Gras zu ihren Füßen, wie  etallene Dornen aussehen lässt.

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Oder 

Danke Mutti!

Für alle die nicht gern am Bildschirm lesen, habe ich hier eine PDF zum Download

Chris hält mir einen Blumenstrauß vor die Nase und lächelt mich schüchtern an.
Die sind für dich Cordula.“ 

Offensichtlich!
Ich bekomme Blumen und er grinst? Oh…
Ich bin vorsichtig verunsichert. 

Mit einer trockenen, vollkommen unschuldigen Miene teilt er mir mit: „Wenn du dich an den Anblick der Blumen gewöhnt hast, kannst du dich in 2 Wochen ganz und gar auf meinen Antrag konzentrieren. Lass dir Zeit zum Nachdenken.“ 

Wie umsichtig von ihm. So komme ich nicht auf die Idee, aus einem Impuls heraus eine Dummheit von mir zu geben. Zum Beispiel etwas wie:
NEIN!….?“ eine eloquentere Erwiderung fällt mir spontan nicht ein. 

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warten auf

18. Aug 2010

… eine neue fingerübung.

Ich weiß, ich hinke hinterher und das wird, so leid es mir tut, noch wenigstens bis Ende des Monats noch so bleiben.

Seit ein paar Tagen rumort in meinem Kopf eine Idee für eine Geschichte und schuld daran sind die hier  –>EPIDU.de<–

Nun scheint es so, als würde ich bei dem Schreibwettbewerb mitmachen wollen. Eigentlich würde ich das lieber gern in meinem stillen Kämmerlein machen und es niemanden wissen lassen, denn jetzt stehe ich mächtig unter Druck. Ich hab nämlich keine Ahnung, ob ich den Abgabetermin schaffe. Ich schreibe relativ langsam und seltsamerweise nur nachts, deshalb werd ich für diese Kurzgeschichte bestimmt bis zum Ende des Monats brauchen, aber hoffentlich eben nicht länger. Wenn nicht wird das jetzt, wo ihr Bescheid wisst, schon ein bisschen peinlich.

Warum ich es denn dann bekannt gebe? Nun ich rede mit ein, dass einige der aktiven Leser hier schon auf die neue Fingerübung warten. ( Bitte alle jetzt mal JAAAA! schreien oder in die Kommentare schreiben *g* ) und die wird, wie ich schon erwähnte, noch ein bisschen was dauern. Ich wollte aber, dass ihr wisst, warum ich euch warten lasse.

Drückt mir die Daumen, dass ich es schaffe, dass ich etwas Sinnvolles geschrieben bekomme und wünscht mit Glück für die Bewertung.
Danke euch

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Dennis Teuchert@pixelio

… und zurück

Ich starb. Doch so schlimm war das nicht. Das Einzige, was mich störte, war das gehässige Grinsen dieser Schnepfe direkt vor meinem Gesicht, als ich meinen letzten Atemzug aushauchte. Ich hatte ihren Duft in der Nase, ein billiges Parfüm vom Discounter, so dicht rückte sie mir auf die Pelle. Sie hatte mich erwischt, aber das war ihr nicht genug. Sie wollte unbedingt das Letzte sein, was ich sah.

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Hannas Brot

16. Jul 2010

Für alle die nicht gern am Bildschirm lesen, habe ich hier eine PDF zum Download

Die Düfte der Nacht tragen ihm die Gefühle und Sehnsüchte der Menschen im Dorf zu. Sie liegen in der Luft und er kann sie schmecken. Es sind feine Nuancen zwischen der Süße des Flieders und dem erdigen Aroma des erhitzen Bodens. Er kann nicht erklären, wieso er so viel mehr riecht und schmeckt. Die meisten Dorfbewohner meiden ihn. Sie glaubten, er könnte ihre Gedanken lesen und das ist ihnen unheimlich. Deshalb ist er meist allein unterwegs.

In der Nacht schleicht er durch die Gassen des Dorfes, auf der Suche nach etwas Essbarem. Am liebsten ist er bei der kleinen Bäckerei, weil die Reste des Tages immer in einem Körbchen auf der Fensterbank liegen. Schon als er über den Zaun klettert, kann er es schmecken, die Trauer und Verzweiflung, die über dem Haus hängt. Licht dringt durch die Spalten in den dichten Vorhängen, als der Nachtwind sie bewegt. Das ist ungewöhnlich. Normalweise liegt das Bäckerpaar um diese Uhrzeit im Bett. Er lauscht gern den sanften Atemzügen der freundlichen Frau, bevor er sich etwas aus dem Körbchen stibitzt. Aber heute hört man leises Gemurmel und ein tiefes Schluchzen. Die Neugierde treibt ihn näher heran. Er möchte nur einen kurzen Blick hinter die Vorhänge werfen. Er macht sich Sorgen um die Bäckerin. Sie ist so zart gebaut. In letzter Zeit erschien sie ihm besonders zerbrechlich und sie roch so gut. Durch das Fenster kann Ferreck sie nicht sehen. Als er die Tür hört, schreckt er zurück. Er fühlt sich ertappt und starrt auf den Bäcker, der ihn aus geröteten Augen betrachtet. Der Bäcker sieht den Jungen, doch in Gedanken ist er bei seiner Frau und dem Glück, dass er für eine kurze Weile hatte spüren dürfen.

*

Lorenz betrachtete seine Frau mit einem Lächeln. Sie war so wunderschön mit dem runden Bauch. Bald schon würden sie zu dritt sein.
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Königin der Nacht

01. Jun 2010

Die Nacht ist die Zeit der Jäger.
In den schwülen Sommernächte, wenn sich kaum ein Lüftchen regt und die Hitze des Tages sich in den Halmen des Grases und den Ästen der Bäume verfängt, jagt sie am liebsten. Dann nämlich klebt die Haut ihrer Beute vor Schweiß und sie kann mit geschlossenen Augen über weite Strecken das süße Blut riechen, nach dem es sie dürstet. Den Rest des Beitrags lesen »

Angst in dir

01. Mai 2010

 

Spiegelbild

Spiegelbild

Die Dunkelheit ist undurchdringbar. Sie hatte geträumt, sie würde ertrinken in einem Nacht schwarzen See, während sie zusah, wie der Mond auf der Wasseroberfläche zerbrach.

Evelyn knetet an ihren Fingern und starrt unruhig aus den Fenstern. Die Südseite ihrer Wohnung hat eine lange Fensterfront, an der sie nun aufgescheucht hin und her läuft, ohne den Blick von der Straße zu wenden, die vor dem Haus vorbeiführt.
Schritte auf der Treppen lassen sie starr werden. Mit zitternden Fingern tastet sie nach dem Lichtschalter. Plötzlich fühlt sie sich beobachtet und versteckt sich in den dunklen Schatten ihrer Wohnung.
Sie hat das Gefühl verfolgt zu werden. Seit Wochen schon passieren immer wieder seltsame Dinge. Erst dachte sie noch, dass sie einfach nur schusselig ist, wenn sie ihre Schlüssel nicht dort gefunden hatte, wo sie ihrer Meinung nach hätten liegen sollen. Dann tauchten die Bücher auf. Im Badezimmer, auf dem Nachttisch oder im Wohnzimmer lagen sie. Thriller liest Evelyn eigentlich nicht. Und sie kann sich nicht erklären, wie die Bücher in ihre Wohnung kommen. Sie wirken, als hätte man sie nach dem Lesen einfach abgelegt, als wenn sie hierher gehören. Manchmal waren sie aufgeschlagen, oft klebten kleine Zettel als Markierungen darin. Und dann begannen die Nachrichten. Aus hämischen Botschaften und bissige Beleidigungen wurden von Woche zu Woche mehr Drohungen und Evelyn fürchtet nun um ihr Leben.

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