Der Klappentext klingt nach einem dieser Macho-SuperSpion-ActionThriller mit politischer Würze, welche mir nicht so liegen. Aber diesmal ist der Superman-like-Macho-Spion eine Frau und hey *g* das ändert alles. Nein im Ernst, es gibt keinen logischen Grund dafür, aber Frauen dürfen bei mir Machos sein, im Gegensatz zu den meisten männlichen Protagonisten. Unfair? Stimmt!
😀

Und trotz einiger Mängel hätte das Buch durchaus sehr unterhaltsam werden können. Ich mochte die Protagonistin, was für mich immer sehr wichtig ist und mich vieles verzeihen lässt.

Taylor Stevens – Die Touristin : Mission MunroeTaylor Stevens
Die Touristin : Mission Munroe
448 Seiten
Juni 2012
Goldmann
ISBN 978-3-442-47823-1



Vanessa Micheal Munroe ist eine Spionin, die Beste, wenn es darum geht Informationen aufzutreiben, denn es gibt nicht viel, was sie nicht tun würde, um ihren Auftrag zu erledigen. Es hilft natürlich, wenn man überdurchschnittlich intelligent ist, unzählig viele Sprachen spricht, athletisch und in Kampfsportarten geschult ist und außerdem das Talent hat, sich instinktiv in ihr Gegenüber einzufühlen. Klingt fast nach Superhero oder, aber wo ist der Haken, jeder Mensch hat seine Schwächen. Vanessa oder Michael, wie sie verwirrender Weise im Buch oft genannt wird, hat auch ihre Dämonen, die sie in ruhigen Zeiten verfolgen. Wenn sie keinen Job hat, auf den sie sich konzentrieren kann, werden sie aktiv und verfolgen sie bis in ihre Träume.

Weshalb diese Dämonen sie verfolgen, wird leider viel zu früh und viel zu schnell erzählt. Es hätte mir persönlich besser gefallen, wenn das Mysterium noch eine Weile erhalten geblieben wäre und für die Spannung im Buch genutzt worden wär. Denn nach einem schnellen Anfang flaut die Handlung am Ende des ersten Drittels ab. Das liegt vor allem auch daran, dass sie Bradford, der ihr von ihrem Auftraggeber an die Seite gestellt wurde, um nach seiner Tochter zu suchen, alles erklären muss.

Und genau hier begann ich den Spaß am Buch zu verlieren. Eines der wenigen Dinge, die ich einem Autor nicht verzeihen kann, ist, wenn Dummheit als Stilmittel verwendet wird.

Wenn man seine Figuren intelligent charakterisiert, dann möchte man doch bitte nicht, nur um die Handlung zu strecken, die Armen Protagonisten unter partielle Demenz leiden lassen. Das ist ein zu einfache Lösung. Noch schlimmer ist jedoch, dass oft auch der Leser unterschätzt wird.

Wirklich, Superwoman? Man droht dir. Du weißt, dass du verfolgt wirst. Du sagst selbst, dass es jetzt gefährlich wird und doch gehst du einfach so los und machst genau das, was du nicht tun sollst und bist dann überrascht, wenn man versucht dich umzubringen?

Ab da an ist vieles zu konstruiert.
Der „neue“ Mann im Buch an Vanessas Seite, ein alter Bekannter aus Vanessas Vergangenheit, liefert einen entscheidenden Hinweis. Die Persönlichkeit der Superwoman passt einfach zu perfekt. Sie ist hart, charmant, verliebt, kalkulierend. Sie vermutet hinter jeder Fassade einen Verräter und dann … dann ist sie wieder zu blind.

Obwohl viel versucht wird, um mich auf die falsche Fährte zu schicken, ist schon ab den ersten Seiten klar, worauf es hinaus laufen wird. Das stört mich nicht, nach all den ganzen Krimis, hab ich ein ziemlich gutes Radar entwickelt, nur verstehe ich wirklich nicht, warum Superwoman es nicht erkennen kann, obwohl sie über die selben Informationen verfügt, anfangs sogar um ein paar mehr.

Als es dann endlich wieder losgeht, macht es auch wieder Spaß, das Buch zu lesen. Action liegt der Autorin mehr, als emotionale Verstrickungen oder Charakterentwicklung.

Leider hält das Lesevergnügen nicht lange an. Nach Auflösung des Falles zahlt Vanessa noch einige persönliche Rechnungen. Völlig unnötig und für mich so nicht nachvollziehbar.

Also ein durchwachsenes Urteil. Sicher hatte ich nicht viel erwartet. Aber auch leichte Unterhaltungsliteratur, auch Superwoman / Superspion / Supermacho – Actionthriller können gut geschrieben sein. „Die Touristin : Mission Munroe“ hat seine Höhen, aber definitiv auch seine Tiefen.  Mal sehen, vielleicht werde ich mir die Folgebände auch ansehen, vielleicht aber auch nicht.

Lest doch auch die Rezension von Sternthaler. Die Bloggerin vergibt auf ihrem Blog …Seitenweise… 5 packende Sternthaler für Mission Munroe.

Taylor Stevens (c) Wheatherly Photography
Taylor Stevens
(c) Wheatherly Photography


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Begegnungen III

27. Mär 2012

IIIzu I ….. zu II


Das ist Katrin, deine leibliche Mutter.

Das hätte die Frau vom Jugendamt ihm nicht sagen müssen. Er wusste es. Nicht, weil diese Frau ihm ähnlich sieht oder er diese magische Verbindungen spürt, die es angeblich zwischen Mutter und Kind geben soll. Aber er sieht, dass diese Frau auf ihn wartet. Und er sieht all die Ausreden und Gründe, die sie ihm erzählen und die er nicht hören will.

Björn vergräbt seine Hände tief in den Taschen seiner Hose. Sein Blick ist starr auf den Boden gerichtet und sein Körper spannt sich, als würde er einen Schlag erwarten.

Es tut mir leid, Björn.“, haucht die Frau.

Überrascht von dieser Bemerkung hebt er den Kopf und sieht Katrin an, die Augen voller Trotz.

Er erinnert sich genau an den Moment, in dem ihm klar wurde, warum die Frau, die ihn geboren hatte, nicht seine Mutter ist.
Er erinnert sich, wie er erkannte, dass die Geschichte seiner Adoptiveltern, er wäre ein Geschenk, eine Lüge war, die sie ihm erzählten, als er noch klein gewesen war.
Er erinnert sich, wie er plötzlich wusste, dass sie ihn einfach nicht gewollt hatte. Sie hatte ihn weggegeben, wie ein Geburtstagsgeschenk, dass ihr nicht gefiel.
Und er erinnert sich noch genau, wie sich dieses Wissen angefühlt hatte.

Dieses trockene Brennen in den Augen und das Reißen im Magen, dass er auch heute den ganzen Tag mit sich herum getragen hat.

Was zum Geier tut dir leid?‘, will er sie anschreien, noch wütender darüber, dass er es nicht kann. ‚Warum hat sie nicht ihre Geschichte erzählt? Warum sieht sie so verdammt erleichtert aus? Warum sagt sie, dass es ihr leid tut?
Warum?‘

Katrin streckt ihm die Hand entgegen. „Ist es zu spät?

‚JA! Nein. Ach Scheiße!‘
Vielleicht.“

Unentschlossen blickt Björn auf die ausgestreckte Hand und stellt fest, dass diese Frau nicht versucht, sich zu entschuldigen. Sie bittet nicht um Verzeihung für etwas, dass nicht zu verzeihen ist.

In seinen Ohren kann er das Knirschen seiner Zähne hören. Er fühlt, wie sich sein Kiefer immer wieder von einer Seite zur anderen schiebt. Das wäre der richtige Zeitpunkt auszusprechen, weshalb er hergekommen ist. Er möchte ihr ins Gesicht sagen, dass er sie nicht braucht, dass er nun sie nicht mehr will, dass er nicht interessiert daran ist, was sie zu sagen hat und ihr dabei ins Gesicht sehen. ‚Ich will dich nicht!‘, denkt er.

Aber das stimmt nicht.

Björn sieht auf Katrins Hand.
Vielleicht nicht.

Dann schweigt er wieder. Wenn er jetzt beginnt zu reden, fürchtet er, kann er vielleicht nicht wieder aufhören und es geht sie gar nichts an, was er dachte oder fühlte. Sie war nicht seine Mutter.

Schließlich zieht Katrin verlegen die Hand weg.
Das muss wohl reichen.“ Sie verschränkt die Arme vor der Brust und reibt sich nervös über die Oberarme.

Und was machen wir jetzt? Was möchtest du jetzt tun?

Björn zuckt mit den Schultern. Soweit hat er sich das nicht überlegt.
Keinen Plan.“ murmelt er und schiebt die Fransen aus seinem Gesicht, um Katrin anzusehen.

Als er klein war, hatte seine Mutter ihm aus einem Kinderbuch vorgelesen, von einem Jungen, der von Planet zu Planet wandert. Möglicherweise war es auch ein Prinz gewesen, Björn erinnert sich nicht mehr genau. Aber er weiß noch, wie geborgen er sich gefühlt hat, in den Armen seiner Mutter, die ihm beim Lesen über den Kopf streichelte. Björn versucht sich vorzustellen, dass es Katrin gewesen war. Widerwillig schüttelt er den Kopf und grunzt ein kurzes Lachen. Er weiß nicht einmal, ob sie gerne liest. Er weiß gar nichts von ihr.

Was ist?“ Eine Falte erscheint zwischen Katrins Augen, doch sie lächelt, auch wenn es ein wenig flackernd ist.

Ich würd gern raus finden, wer du bist.“

~

Es macht die Wüste schön, daß sie irgendwo einen Brunnen birgt.“

Der kleine Prinz – Antoine de Saint-Exupéry

Begegnungen II

24. Mär 2012

IIzu I ….. zu III


Sigrid blättert durch die Papiere auf ihrem Schreibtisch. Ruckartig legt sie die Unterlagen beiseite und blickt zu dem Jungen, der ihr gegenüber sitzt. Sie versucht in dem verschlossenen Gesicht des 14-Jährigen zu lesen.
„Du musst sie nicht sehen, wenn du das nicht möchtest.“

Noch einmal gibt sie ihm die Möglichkeit sich gegen die Begegnung zu entscheiden, gegen die Veränderung, das Chaos, welches ihm bevor steht. Er ist viel zu jung für diese Begegnung, findet sie. Viel zu jung, um sich mit einer Frau auseinander zu setzen, die aus irgendeinem Grund gerade jetzt beschlossen hatte, einen losen Faden ihres Lebens wieder aufzunehmen, ohne richtig darüber nachzudenken, was es für den Anderen, was es für Björn bedeuten wird.

Müde schließt sie die Augen. Sie will nicht ungerecht sein, aber es fällt ihr schwer nicht wütend zu werden. Einige der Mütter, die über das Jugendamt Kontakt zu ihren Kindern aufzunehmen, entscheiden sich nicht völlig gedankenlos. Aber es ist ein egoistischer Entschluss, immer, denn wenn sie vor der Wahl stehen, ob sie in das Leben ihres Kindes treten oder nicht, sind sie allein.
Sicherlich ist am Ende der Wille des Kindes entscheidend. Aber wenn sie zu jung sind, wie sollen sie wissen, wie diese eine Begegnung ihr Leben, ihr Wesen verändern wird.

‚Und sie wissen nicht, wie oft ich schon ihre kleinen Herzen habe brechen sehen.‘
Sigrid hofft, dass der Junge seine Meinung noch ändert.

Björn zuckt mit den Schultern und fährt sich mit einer Hand durch die ordentlich gekämmten Haare. Jetzt liegen sie wild durcheinander.

‚Nun ist er innen wie außen aufgewühlt.‘, denkt sich die Jugendamtmitarbeiterin und stellt fest, dass damit ihr tägliches Kitsch-Limit erreicht ist. Sie versteckt ihr grimmiges Lächeln hinter einer Fassade der Professionalität.

Gut.“
Aufmunternd lächelt sie ihm zu. Es bringt nichts den Jungen auch noch durch ihre Sicht der Dinge zu verunsichern. Diese Situation ist für ihn schwer genug, auch wenn er nicht zu den Kindern gehört, die vor Aufregung ganz zappelig werden.
‚Außerdem ist es meine Aufgabe die Begegnung mit seiner leiblichen Mutter objektiv zu begleiten.‘, erinnert sie sich selbst.
‚Ich bin ein Puffer, kein Stopper!‘

Ein Mantra, welches sie, besonders in den letzten Jahren ihrer fast dreißigjährigen Berufserfahrung, immer öfter wiederholen muss.

Wenn du noch etwas wissen möchtest, darfst du mich gern fragen.
Sigrid überlegt, ob sie den Jungen gut genug vorbereitet hat. Seine kräftige Statur täuscht leicht darüber hinweg, dass er noch ein Kind ist. Aber er wollte die Begegnung von Anfang an, nicht telefonieren, ein richtiges Treffen von Angesicht zu Angesicht. Seinen Adoptiveltern, ein älteres Ehepaar, welches sehr an ihm hängt, war es wichtig, ihm dabei nicht im Weg zu stehen. Sie redeten davon, dass er seine „Wurzeln“ kennenlernen sollte.

‚Was für ein Schwachsinn.‘ Sigrid schüttelt unbewusst den Kopf, als sie an das Gespräch zurück denkt. Seine Wurzeln sind die beiden Menschen, die ihn zu dem gemacht haben, was er jetzt ist, ein eigensinniger, sensibler und wortkarger Charakter.
‚Vielleicht zu eigensinnig.‘, überlegt sie, während Björn unruhig mit den Füßen über den Boden schleift.

Sigrid steht auf und geht um den Schreibtisch herum zu Björn. Sie lehnt sich an die Kante des Tisches und beugt sich hinunter um dem Jungen ins Gesicht sehen zu können.

Als er ihr sagte, er wollte seine leibliche Mutter sehen, spiegelte seine Körpersprache, sein Blick, Mimik und Gestik eine Vielzahl an Gefühlen. Sie sah Wut und Angst, Hoffnung und die Verunsicherung, trotz seiner bestimmten Worte.
Alles, was sie jetzt sieht, ist eine erschreckende Verbissenheit seine Gefühle nicht zu zeigen. Stattdessen wirft er einen ungeduldigen Blick zu Uhr an der Wand.

Es wird Zeit.“, sie nickt.
‚Ok, Junge, mach bloß keinen Blödsinn.‘ Sie atmet kurz durch. ‚Vielleicht wird es Zeit, es sich mit Stricknadeln zu Hause gemütlich zu machen.‘

Es ist gleich dort um die Ecke.“, erklärt Sigrid, damit Björn sich vorbereiten kann, dann gehen beide schweigend neben einander her. Als sie in den anderen Gang abbiegen, sieht sie die junge Frau im Türrahmen stehen.

‚Verdammt, wie schwer kann es sein in einem Raum zu warten!‘ ,flucht die Beamtin innerlich und bemerkt das kurze Zögern des Jungen.

Das ist Katrin, deine leibliche Mutter.
Sie nickt dem Jungen aufmunternd zu.

Dieser hat die Hände tief in die Taschen seiner Jeans vergraben und starrt auf den Fußboden. Sigrid betrachtet besorgt, wie sich der Körper des Jungen anspannt.

Es tut mir leid, Björn.“, haucht die Frau.

Überrascht von dieser Bemerkung hebt der Junge den Kopf und sieht Katrin endlich an, die Augen voller Trotz.

‚Das ist es, was sie alle sagen. Es tut ihnen leid.‘
Sigrid unterdrückt ein Kopfschütteln. Aufmerksam beobachtet sie die Reaktion des Jungen. Sie wird nicht zulassen, dass er mehr unter Druck gesetzt wird als nötig.

‚Na los, sag was.‘, fordert sie die Mutter in Gedanken auf.

Katrin streckt ihrem Sohn die Hand entgegen.

Ist es zu spät?

Vielleicht.“ Björn blickt unentschlossen auf die ausgestreckte Hand. Der Mund ist zusammengepresst. Einen Moment lang knirscht er mit den Zähnen.

Vielleicht nicht.

Begegnungen I

20. Mär 2012

Izu II …..  zu III


Wann?“

Noch 10 min.“

Was wenn …?

Mach dir keine Gedanken.

Als wenn ich das abstellen könnte.“

Katrin …“
Er versucht sie an den Schultern zu fassen, ihr Halt zu geben, doch sie weicht zurück und geht hinüber zum Fenster. Im Gegenlicht lässt sich ihr Gesicht kaum erkennen. Er braucht es nicht zu sehen, um zu wissen, wie sie vor Anspannung die grünen Augen zusammen kneift, das Rechte mehr als das Linke und das Kinn nach vorn reckt, um zu vermeiden, dass sie auf ihrer Unterlippe herum beißt.

Ich bin dir dankbar, dass du mitgekommen bist, Thomas.“
Sie dreht sich herum. Rastlos knetet sie ihre Hände.

Ich bin froh, dass ich hier bin.
Er würde am liebsten zu ihr hinüber gehen, doch sie will nicht von ihm beruhigt werden. Aufmunternd nickt er ihr zu, lächelt.

Durch den Raum hindurch kann sie die Wärme in seinem Lächeln spüren. Ohne es zu bemerken, verschränkt sie die Arme und beobachtet dann, wie er sich abwendet, um scheinbar interessiert die Bücher in dem Regal hinter sich zu studieren. Das ist seine Art ihr Raum zu lassen.

Sie ist wirklich froh, dass er mit ihr hier ist, aber sie erträgt seinen liebevollen Blick kaum. Ihre Hände umklammern ihre Oberarme bis es schmerzt. Ihr Blick klammert sich an den Mann auf der anderen Seite des Raumes.
Wenn man das vom Alter gerundete Gesicht nicht sieht, wirkt Thomas mit seinem schlaksigen Körperbau eher wie der 15-Jährige, den sie kennengelernt hatte, als der 30-Jährige, der er jetzt ist.
Sie betrachtet die hellen Haare, seine schmalen Schultern, die langen Arme. Seine dünnen Hände streichelten bei ihrer ersten Begegnung ihren gewölbten Bauch so selbstverständlich, dass sie sich sofort geborgen gefühlt hatte.

Katrin sieht hinüber zur Tür. Aus Angst, den Zeitpunkt zu verpassen, wenn diese sich öffnet, kann sie den Blick nicht mehr abwenden. Sie möchte ihm in dem selben Moment in die Augen sehen, wenn er sie sieht. Die Frage, ob er sie erkennen wird, schiebt sich in ihr Bewusstsein. Mit einem Kopfschütteln versucht sie diese zu vertreiben.
Sie bemerkt nicht, wie sie beginnt mit den Fingerspitzen aufeinander zu tippen. Ihr Daumen berührt die Spitze ihres Mittelfingers, dann den Ringfinger, den kleinen Finger und wieder zurück bis zum Zeigefinger.
Ihr Körper bebt vom unterdrückten Bewegungsdrang.

Besorgt beobachtet Thomas den nervösen Tick seiner Freundin. Die Erinnerungen an damals kommen wieder hoch. Einige Wochen nach ihrer ersten Begegnung stand sie plötzlich zitternd vor ihm. Das dunkle Haar fiel ihr ins Gesicht. Schweigend tippte sie die Finger aufeinander, wie jetzt auch, bis er ihre Hände ergriff und sie an sich zog, ihren Körper in dem übergroßen Pullover mit seinen Armen umschloss.

Katrin.“
Die Sanftheit seiner Stimme löst in Katrin einen Knoten. Das Brennen in den Augen ignorierend stürmt sie zur Tür, in der panischen Gewissheit, dass diese abgeschlossen ist. Niemand wird durch sie hindurch kommen. Selbst wenn er es wollte, er würde es nicht können.
Aber vielleicht würde er es gar nicht wollen. Katrin beißt die Zähne aufeinander. Wichtig ist nur, dass diese verdammte Tür jetzt aufgeht.
Jetzt!
Sie zerrt an der Tür und für eine Sekunde scheint es, als ob diese tatsächlich verschlossen ist, dann gelingt es ihr die Klinke zu drücken.

Vor ihr liegt ein langer Flur mit grauen Wänden und einigen unbequemen Plastikstühlen.
Regungslos steht sie im Türrahmen, nicht willens ihren sich überschlagenden Gedanken Beachtung zu schenken.
Die Aufregung rauscht in ihren Ohren, sodass sie die sich nähernden Schritte nicht hört. Erst als sie den Kopf hebt, bemerkt sie am Ende des Flures die Frau und den Jungen.

Das ist Katrin, deine leibliche Mutter.“
Die Frau vom Jugendamt nickt dem Jungen aufmunternd zu.

Die Ähnlichkeit des Jungen mit seinem Vater erschreckt Katrin. Er ist 14, zwei Jahre jünger als sein Vater damals, doch schon jetzt hat er die gleiche Statur.
Seit der Termin für die Begegnung feststand, war sie alle Möglichkeiten durchgegangen. Sie hatte das Treffen in ihrer Vorstellung so oft wiederholt, dass sie sich jetzt ganz leer fühlt.
Da steht er, ihr Sohn. Die Hände in den Taschen seiner Jeans vergraben. Die breiten Schultern sind hochgezogen und das schwarze Haar ist verwuschelt.
Ihr Sohn, den sie verlassen hatte, den sie weggab, ohne ihn einmal gesehen zu haben.

Es tut mir leid, Björn.“, haucht Katrin.

Überrascht von dieser Bemerkung hebt der Junge den Kopf und sieht Katrin endlich an, die grünen Augen voller Trotz.

Fast schon erleichtert streckt sie ihrem Sohn die Hand entgegen. Hier ist sie die Schuld, ihre Schuld. Sie erkennt sie in seinem Gesicht.

Ist es zu spät?“

Vielleicht.“ Er blickt unentschlossen auf die ausgestreckte Hand. Der Mund ist zusammengepresst. Einen Moment lang knirscht er mit den Zähnen.

Vielleicht nicht.

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Für einen kleinen Schreibwettbewerb (von Lea Korte ) schrieb ich 3 verschieden Versionen einer Szene. Zu gewinnen gab es einen Monat von ihrem Online-Autoren-Schreibkurs. Da wollte ich natürlich unbedingt mein Glück versuchen. Leider hat es nicht für mich nicht geklappt. Dennoch wollte ich euch die kurzen Szenen gerne vorstellen.

Heute gibt es die erste Version, die ich auch bei Lea eingereicht hatte. Viel Spaß beim Lesen und freue mich auf Kommentare.

Dieses Jahr steht Island im Rampenlicht der Frankfurter Buchmesse. Unter dem Motto „Sagenhaftes Island“ gab es bei „Blogg dein Buch“ isländische Neuerscheinungen zur Auswahl. Ich hatte mich für „Frauen“ von Steinar Bragi entschieden, welches sich leider wenig „sagenhaft“ las.

Steinar Bragi - Frauen
Steinar Bragi

Frauen

256 Seiten
erschienen im August 2011
im Verlag Antje Kunstmann
ISBN 978-3-88897-724-4

Übersetzt von Kristof Magnusson

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Binge

30. Jan 2011

Laura hebt die Nase schnuppernd in den Raum. Sie wirft einen Blick über die Schulter, zwinkert und beugt sich dann mit ihren Rundungen behäbig zum Backofen hinunter, um in die Hitze zu starren.

Ich liebe das Backen. Es duftet so lecker.“ Sie richtet sich wieder auf und dreht sich zur Wohnzimmertür.

Ihr könnt es ja leider nicht riechen.“ Freundlich lächelnd starrt sie in die Luft, obwohl sie allein ist in der Wohnung.

Mit wem ich rede, wenn ich doch allein in der Wohnung bin? Na, mit euch! Also, ich sag es besser gleich, ich bin nicht ganz dicht. Ich hab offiziell eine Macke, denn ich glaube, dass ich eine Figur in einem Buch bin, oder eher in einer Geschichte. Ein Buch ist vielleicht zu viel für mich ganz allein.“

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Es ist gar nicht so einfach, ein Buch zu lesen, in dem es nur die wörtliche Rede gibt.
Als läge man im Koma und kann nur hören, was um einen herum passiert. Alles ist so präsent, weil alle anderen Sinne ausgeschaltet sind und nur noch der eine Sinn, der mit dem man die Worte wahr nimmt, ausgebildet, ja verschärft ist.
Ohne die Pausen von Zwischenteilen, Erzählungen und ungefährlichen Beschreibungen schreibt sich, so scheint es mir, alles irgendwann in GROSSBUCHSTABEN. Die Stimme des Autor wird zum Schreien, direkt in meinem Kopf.Hotschnig - Leonardos Hände

Nach der Fahrerflucht treibt es Kurt immer wieder zum einzig Überlebenden des Unfalls. Anna liegt im Koma und in seiner Fantasie malt er sich Gespräche mit ihr aus. Versucht seine Schuldgefühl zu bewältigen.

„Ich bin noch nicht tot, Kurt, auch wenn du dich bis jetzt nicht um mich gekümmert hast. Gekümmert hast du dich, ja, in deinem Kopf. Nicht um mich. Nur um dich. Bis jetzt hast du dich nur um dich gekümmert, um deine lächerliche Angst vor dir selber und um dich selbst.“

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I am so glad you locked me up“ 

 Ich bin noch ein wenig geplättet. Das Ende des nur 300 Taschenbuchseiten starken Thrillers von Nicolet Steemers hatte es in sich. Es hat mich mitgenommen, in die Geschichte, aber auch emotional.
 

Hannas Brot

16. Jul 2010

Für alle die nicht gern am Bildschirm lesen, habe ich hier eine PDF zum Download

Die Düfte der Nacht tragen ihm die Gefühle und Sehnsüchte der Menschen im Dorf zu. Sie liegen in der Luft und er kann sie schmecken. Es sind feine Nuancen zwischen der Süße des Flieders und dem erdigen Aroma des erhitzen Bodens. Er kann nicht erklären, wieso er so viel mehr riecht und schmeckt. Die meisten Dorfbewohner meiden ihn. Sie glaubten, er könnte ihre Gedanken lesen und das ist ihnen unheimlich. Deshalb ist er meist allein unterwegs.

In der Nacht schleicht er durch die Gassen des Dorfes, auf der Suche nach etwas Essbarem. Am liebsten ist er bei der kleinen Bäckerei, weil die Reste des Tages immer in einem Körbchen auf der Fensterbank liegen. Schon als er über den Zaun klettert, kann er es schmecken, die Trauer und Verzweiflung, die über dem Haus hängt. Licht dringt durch die Spalten in den dichten Vorhängen, als der Nachtwind sie bewegt. Das ist ungewöhnlich. Normalweise liegt das Bäckerpaar um diese Uhrzeit im Bett. Er lauscht gern den sanften Atemzügen der freundlichen Frau, bevor er sich etwas aus dem Körbchen stibitzt. Aber heute hört man leises Gemurmel und ein tiefes Schluchzen. Die Neugierde treibt ihn näher heran. Er möchte nur einen kurzen Blick hinter die Vorhänge werfen. Er macht sich Sorgen um die Bäckerin. Sie ist so zart gebaut. In letzter Zeit erschien sie ihm besonders zerbrechlich und sie roch so gut. Durch das Fenster kann Ferreck sie nicht sehen. Als er die Tür hört, schreckt er zurück. Er fühlt sich ertappt und starrt auf den Bäcker, der ihn aus geröteten Augen betrachtet. Der Bäcker sieht den Jungen, doch in Gedanken ist er bei seiner Frau und dem Glück, dass er für eine kurze Weile hatte spüren dürfen.

*

Lorenz betrachtete seine Frau mit einem Lächeln. Sie war so wunderschön mit dem runden Bauch. Bald schon würden sie zu dritt sein.
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*zur Bewertung:
Hey, das ist mein Blog und da kann ich entscheiden, ob mir eine Bewertung nicht ausreicht. Hier brauchte ich nunmal 2 Bewertungen {:

Ich mag die Bilder von Gerald Brom. Sie sind düster, makaber, fantasievoll. Er hat für meine Lieblingskartenspiele (Kennt das noch jemand? Magic – the Gathering) gezeichnet und meine Lieblingsrollenspiele. Und im Internet kursieren viele seiner Fantasybilder als Avatare.
Ich war völlig überrascht, als ich erfuhr, dass ich gerade ein Buch von ihm gelesen hatte.
Sein drittes Buch ist inspiriert von der Geschichte um Peter Pan.

BROM - der Kinderdieb

BROM - der Kinderdieb

Peter ist ein Kind des Waldes, ganz anders als die Menschenkinder, mit spitzen Ohren und goldenen Augen und noch immer ein Baby, als er zu Sprechen beginnt. Aus Angst verstößt ihn seine menschliche Mutter und setzt ihn mitten im Winter im gefährlichen Wald aus. Doch er überlebt und findet nach einigen Jahren den Weg nach Avalon, der Insel der Dame.

Wir treffen Peter im heutigen New York wieder und er ist auf der Suche nach verlorenen Kindern. Es sind die Ungewollten, die Misshandelten, die Traurigen, die Einsamen, die Heimatlosen, die Peter sucht und durch den Nebel nach Avalon bringen will. Dort sollen sie zu seinen Teufeln werden, eine Bande wilder Kinder, die sich im Kampf üben. Denn Avalon ist im Krieg gegen die Fleischfresser und langsam vernichtet die Geißel alles Leben auf der Insel.

Es ist die dunkle Geschichte von Peter Pan, blutrünstig und verdorben. Es gab viele Lesemomente, an denen ich das Buch voller Grauen und teilweise angewidert beiseite legen musste. Wenn ein 6-jähriger Peter von einer Sumpfhexe sexuell angegriffen wird, geht das über meine Schmerzgrenze hinaus.
Trotzdem habe ich immer weiter gelesen. Die Geschichte der Dame des Sees, Königin von Avalon, und die alten Legenden, Peters Leben, seine Vergangenheit und der Kampf um das letzte magische Land, sind zu packend, als dass ich es bleiben lassen konnte.
Brom webt hier ein Gespinst aus Elfenhaar und Feenglitzerstaub, der in die dunkelsten Ecken der menschlichen Grausamkeit leuchtet. Die Sprache und die unerbittliche Brutalität machen die Botschaft des Buches teilweise mehr als deutlich. Ein wenig mehr Raffinesse hätte der Geschichte, meines Erachtens, gut getan. Vielleicht war es aber gerade deshalb packend wie ein Sog, aus dem es kein Entkommen gibt, bis zum tödlichen Ende, egal wie sinnlos es scheint.
Am Ende war ich enttäuscht, dass die Wahrheit zu nah an die Realität heran kommt.

War die Geschichte von J. M. Barrie noch ein fröhliches Kinderbuch mit kritischen Aspekten, rate ich davon ab Broms „Der Kinderdieb“ Kindern oder Jugendlichen in die Hand zu geben. Die Gewalt und sexuellen Anspielungen könnten sogar einigen Erwachsenen zu weit gehen. Was mir besonders nahe geht, ist der Zusammenhang mit Kinder, die entweder Opfer oder Täter sind.

Das Buch „Der Kinderdieb“ ist wie Broms Bilder düster und bedrückend. Für mich war es sowohl ein Highlight als auch abschreckendes Beispiel. Ich bin hin und hergerissen. Die Kapitel sind mit eindrucksvollen Schwarz/Weiß-Bildern unterteilt und in der Mitte des Buches gibt es zusätzliche Hochglanz Farbbilder. Für mich ist das eindeutig ein Pluspunkt.
Wer also nicht vor drastischer Darstellung von Gewalt an, von und mit Kindern zurück schreckt, der mag sich bitte selbst ein Bild machen.
Doch seid gewarnt! Peters Lächeln ist ansteckend, nicht einmal die Sterne können ihm widerstehen.

P.S.auf Amazon gibt es auch einen Teaser zu ankucken