Vampire Magic Magazin

Das hier!

Einen Blick ins Heft werfen …

Das neue Vampire Magic Magazin ist endlich fertig und es ist ein ganz schöner Brocken geworden. Die letzten Wochen habe ich viel Zeit, Arbeit und Liebe in die neue Ausgabe gesteckt und ich hoffe, sie gefällt euch.

Es gibt es unglaublich viel zu sehen. Carola Kickers war unterwegs und  stellt euch einen independent SciFi Film vor. Dan Garrett hat sich das neue Roxette Album für euch angehört und ich habe auf deviantArt eine paar tolle junge Künstler entdeckt. Eine davon stell ich euch in der neuen Ausgabe vor. Wir haben wieder viele Autoren dabei. Romana Grimm, C.M. Singer, Markus Walther, Fred Ink, Carol Grayson und Michael Zandt stellen sich und ihre Bücher vor. Michael Zandt stellt ein Expemplar seines Buches „Hapu – Teufel im Leib“ sogar für eine Verlosung zur Verfügung.

Wie immer gibt es Leseproben und Kurzgeschichten für euch zum schmökern. Auch von mir findet sich eine kleine Geschichte im neuen Heft. Ausserdem Musik und Interessantes zum Thema Steampunk und Gothic.

Mit 67 Seiten ist das die „dickste“ Ausgabe überhaupt. Ich hatte viel Spaß beim Layouten und ich hoffe, ihr habt viel Spaß beim Lesen. Sagt mir, was euch gefällt und was nicht.

Und ich bin sicher, wenn ihr auf der Facebookseite vom Vampire Magic Magazin vorbeischaut und einen Kommentar hinterlasst, würden sich alle, die an der  ausgabe mitgearbeitet haben, auch sehr freuen.

viel Spaß beim Lesen wünscht
eure Wortsplitter

: Eine Bubengeschichte in sieben Streichen

Anlässlich des 180. Geburtstags von Heinrich Christian Wilhelm Busch, habe ich das alte Buch heraus gekramt, dass schon seit ewigen Zeiten in meinem Regal steht. Schon als Kind habe ich die Geschichte geliebt. Ich mochte die Reime und die Bilder, die ich akribisch selbst nachcolorierte (meine Mutter nannte es ausmalen, aber bitte! ich habe nie über den Strich gemalt, das war nahezu professionell *g* ).
Aber vor allem liebte ich die Geschichten, weil am Ende die fiesen Buben bestraft wurden, und zwar richtig. Das war grausig und schaurig, aber es war auch befriedigend.

Bild*

Ach, was muß man oft von bösen
Kindern hören oder lesen!
Wie zum Beispiel hier von diesen,
Welche Max und Moritz hießen.
Die, anstatt durch weise Lehren
Sich zum Guten zu bekehren,
Oftmals noch darüber lachten
*



Für alle Banausen, die „Max & Moritz“ nicht kennen, es handelt sich um eine bebilderte Dokumentation 8 haarsträubender Streiche. Terrorisiert durch die Lausbuben Max und Moritz, müssen die braven Bürger eines kleinen Dorfes sich immer wieder um die Sicherheit ihres Eigentum, aber auch sich selbst sorgen. Am Ende jedoch sorgt ausgleichende Gerechtigkeit für Ruhe im Dorf. Die beiden Lausbuben, die heutzutage womöglich im Jugendgefängnis ihre Fähigkeiten in Einbruch und Körperverletzung verbessern würden, legen sich mit dem Falschen an und lernen dann, was das Wort Konsequenzen bedeutet. Ein Wort, dass in der heutigen Zeit rapide an Sinn und Substanz verliert.

Damit das Ganze nicht zu lehrreich daher kommt, ist alles in melodische Reime verfasst und pausbäckig hübsch bebildert. Prädikat wertvoll!

Wird Busch eigentlich noch gelesen?

Links:

Wikipedia: Wilhelm Busch
Wikipedia: Max & Moritz
The Project Gutenberg EBook of Max und Moritz,
by Wilhelm Busch

… es geht um die Existenz als solche, um das Leben im Zwischenraum.
Ernst Augustin über sein neues Buch (Quelle: F.A.Z. )

Ich habe keine Ahnung.

Wirklich, ich weiß nicht, worum es in diesem Buch geht. Es ist eine farbenfrohe Seifenblase, die zerplatzt, sobald ich das Buch zuschlage. Zurück bleibt die Freude an der Schönheit und ein Gefühl von Leichtigkeit, gleichzeitig aber auch ein leicht seifiger Geschmack auf der Zunge und ein Hauch von Schwermut.

Ob es die Sonnenblumen sind, ein Mandelbaum, eine Brücke oder eines der vielen Selbstbildnisse, Vincent Van Goghs Werke zeichnen sich fast durchgängig durch eine besondere Farbigkeit aus. Auch Edward Munch und Wassily Kandinsky sind Meister der Farben.

Besonders im ersten Teil des Buches und zwischendurch immer wieder, denke ich beim Lesen an die Gemälde dieser Künstler, nicht nur weil das Buch vor Farbnuancen überquillt, sondern weil es ebenso verzerrt wirkt, wie die Werke eines Munch oder verfremdet wie ein Kandinsky. Aber es gibt noch etwas, was diese Künstler gemeinsam haben. Die moderne Psychologie sagt ihnen Symptome von Schizophrenie nach.

Unter Schizophrenie versteht man nicht,
wie allgemein falsch angenommen,
eine gespaltene Persönlichkeit,
sondern eine Störung in Denken,
Wahrnehmung oder Ausdrucksweise.
Siehe Wikipedia

Vor einiger Zeit habe ich mit Kunst im Verhältnis von Schizophrenie beschäftigt und musste sofort daran denken, als ich begann das Buch zu lesen. Es war mein erster Eindruck.
Wie überrascht war ich, als ich den Titel von Augustins Doktorarbeit las: „Das elementare Zeichnen bei den Schizophrenen“. Dieses Thema scheint ihn auch in seinen anderen Büchern niemals ganz zu verlassen.

In einem Artikel der FAZ erzählt Jan Bürger von seiner Begegnung mit dem erblindeten Autor. Für interessierte Leser kann ich das Interview sehr empfehlen. Es hat mir den Autor und das Buch näher gebracht. Auch wenn ich es noch immer nicht begreife, kann ich doch besser mit dem Nichtbegreifen leben.
Und es erklärt meine Faszination, die ich für die Sprache Augustins empfinde. In seiner Geschichte baut die Hauptfigur, die sich selbst Robinson nennt, unentwegt Räume, Häuser – Daheime. Und auch wenn man den Worten die führende, bauende Hand anmerkt, wirkt es nicht konstruiert, sondern ein Heim formend, ohne bemüht zu wirken.
– Verschachtelt, gemütlich, mit einer Spur Luxus und Humor und, nicht zu vergessen, der Wärme teefarbenem Lichts –

Nun möchte ich doch einen Versuch starten euch den Inhalt näher zu bringen.

Mehr oder weniger chronologisch erzählt Robinson von seinem Leben, oder besser von den vielen Räumen, die er in seinem Leben gebaut hat. Angefangen von der Taucherglocke, der gefluteten Kirche, den Besenkammern, bis hin zum lichtdurchflutetem Totenkopfhaus auf einer Insel beschreibt er die Farben und die architektonischen Besonderheiten und scheut sich dabei auch nicht, einen gefeierten Architekten in den Freitod zu treiben. Nein, natürlich nicht wirklich in den Freitod, schließlich hat er ihn ja noch aus der Oper kommen sehen.
Dabei wird er von den immer gleichen Gestalten gejagt. Einem kleinen Herrn in Anzug und Hut und 2 gut gekleideten Ganoven.

Jetzt wird es etwas unstet.
Die Geschichte eines sich selbst überlassenen Jungen wird von der des verfolgten Mannes abgelöst. Zwischendurch beginnt ein krimihafter Einwurf über den Vater, und die Andeutung einer Liebesgeschichte. Doch am Ende ist es nichts von Allem oder …

Oder, vielleicht … wie auch immer … besser ihr klickt euch in die Leseprobe.

Ich hab keine Ahnung.
Aber es war eine wundervolle Erfahrung.

.

Ernst Augustin
Robinsons blaues Haus
319 Seiten
erschienen im März 2012
im C.H.BECK Verlag
ISBN 978-3-406-62996-9



Danke an Blogg dein Buch für die Möglichkeit sich um dieses Buch zu bewerben.

Begegnungen III

27. Mär 2012

IIIzu I ….. zu II


Das ist Katrin, deine leibliche Mutter.

Das hätte die Frau vom Jugendamt ihm nicht sagen müssen. Er wusste es. Nicht, weil diese Frau ihm ähnlich sieht oder er diese magische Verbindungen spürt, die es angeblich zwischen Mutter und Kind geben soll. Aber er sieht, dass diese Frau auf ihn wartet. Und er sieht all die Ausreden und Gründe, die sie ihm erzählen und die er nicht hören will.

Björn vergräbt seine Hände tief in den Taschen seiner Hose. Sein Blick ist starr auf den Boden gerichtet und sein Körper spannt sich, als würde er einen Schlag erwarten.

Es tut mir leid, Björn.“, haucht die Frau.

Überrascht von dieser Bemerkung hebt er den Kopf und sieht Katrin an, die Augen voller Trotz.

Er erinnert sich genau an den Moment, in dem ihm klar wurde, warum die Frau, die ihn geboren hatte, nicht seine Mutter ist.
Er erinnert sich, wie er erkannte, dass die Geschichte seiner Adoptiveltern, er wäre ein Geschenk, eine Lüge war, die sie ihm erzählten, als er noch klein gewesen war.
Er erinnert sich, wie er plötzlich wusste, dass sie ihn einfach nicht gewollt hatte. Sie hatte ihn weggegeben, wie ein Geburtstagsgeschenk, dass ihr nicht gefiel.
Und er erinnert sich noch genau, wie sich dieses Wissen angefühlt hatte.

Dieses trockene Brennen in den Augen und das Reißen im Magen, dass er auch heute den ganzen Tag mit sich herum getragen hat.

Was zum Geier tut dir leid?‘, will er sie anschreien, noch wütender darüber, dass er es nicht kann. ‚Warum hat sie nicht ihre Geschichte erzählt? Warum sieht sie so verdammt erleichtert aus? Warum sagt sie, dass es ihr leid tut?
Warum?‘

Katrin streckt ihm die Hand entgegen. „Ist es zu spät?

‚JA! Nein. Ach Scheiße!‘
Vielleicht.“

Unentschlossen blickt Björn auf die ausgestreckte Hand und stellt fest, dass diese Frau nicht versucht, sich zu entschuldigen. Sie bittet nicht um Verzeihung für etwas, dass nicht zu verzeihen ist.

In seinen Ohren kann er das Knirschen seiner Zähne hören. Er fühlt, wie sich sein Kiefer immer wieder von einer Seite zur anderen schiebt. Das wäre der richtige Zeitpunkt auszusprechen, weshalb er hergekommen ist. Er möchte ihr ins Gesicht sagen, dass er sie nicht braucht, dass er nun sie nicht mehr will, dass er nicht interessiert daran ist, was sie zu sagen hat und ihr dabei ins Gesicht sehen. ‚Ich will dich nicht!‘, denkt er.

Aber das stimmt nicht.

Björn sieht auf Katrins Hand.
Vielleicht nicht.

Dann schweigt er wieder. Wenn er jetzt beginnt zu reden, fürchtet er, kann er vielleicht nicht wieder aufhören und es geht sie gar nichts an, was er dachte oder fühlte. Sie war nicht seine Mutter.

Schließlich zieht Katrin verlegen die Hand weg.
Das muss wohl reichen.“ Sie verschränkt die Arme vor der Brust und reibt sich nervös über die Oberarme.

Und was machen wir jetzt? Was möchtest du jetzt tun?

Björn zuckt mit den Schultern. Soweit hat er sich das nicht überlegt.
Keinen Plan.“ murmelt er und schiebt die Fransen aus seinem Gesicht, um Katrin anzusehen.

Als er klein war, hatte seine Mutter ihm aus einem Kinderbuch vorgelesen, von einem Jungen, der von Planet zu Planet wandert. Möglicherweise war es auch ein Prinz gewesen, Björn erinnert sich nicht mehr genau. Aber er weiß noch, wie geborgen er sich gefühlt hat, in den Armen seiner Mutter, die ihm beim Lesen über den Kopf streichelte. Björn versucht sich vorzustellen, dass es Katrin gewesen war. Widerwillig schüttelt er den Kopf und grunzt ein kurzes Lachen. Er weiß nicht einmal, ob sie gerne liest. Er weiß gar nichts von ihr.

Was ist?“ Eine Falte erscheint zwischen Katrins Augen, doch sie lächelt, auch wenn es ein wenig flackernd ist.

Ich würd gern raus finden, wer du bist.“

~

Es macht die Wüste schön, daß sie irgendwo einen Brunnen birgt.“

Der kleine Prinz – Antoine de Saint-Exupéry

Begegnungen II

24. Mär 2012

IIzu I ….. zu III


Sigrid blättert durch die Papiere auf ihrem Schreibtisch. Ruckartig legt sie die Unterlagen beiseite und blickt zu dem Jungen, der ihr gegenüber sitzt. Sie versucht in dem verschlossenen Gesicht des 14-Jährigen zu lesen.
„Du musst sie nicht sehen, wenn du das nicht möchtest.“

Noch einmal gibt sie ihm die Möglichkeit sich gegen die Begegnung zu entscheiden, gegen die Veränderung, das Chaos, welches ihm bevor steht. Er ist viel zu jung für diese Begegnung, findet sie. Viel zu jung, um sich mit einer Frau auseinander zu setzen, die aus irgendeinem Grund gerade jetzt beschlossen hatte, einen losen Faden ihres Lebens wieder aufzunehmen, ohne richtig darüber nachzudenken, was es für den Anderen, was es für Björn bedeuten wird.

Müde schließt sie die Augen. Sie will nicht ungerecht sein, aber es fällt ihr schwer nicht wütend zu werden. Einige der Mütter, die über das Jugendamt Kontakt zu ihren Kindern aufzunehmen, entscheiden sich nicht völlig gedankenlos. Aber es ist ein egoistischer Entschluss, immer, denn wenn sie vor der Wahl stehen, ob sie in das Leben ihres Kindes treten oder nicht, sind sie allein.
Sicherlich ist am Ende der Wille des Kindes entscheidend. Aber wenn sie zu jung sind, wie sollen sie wissen, wie diese eine Begegnung ihr Leben, ihr Wesen verändern wird.

‚Und sie wissen nicht, wie oft ich schon ihre kleinen Herzen habe brechen sehen.‘
Sigrid hofft, dass der Junge seine Meinung noch ändert.

Björn zuckt mit den Schultern und fährt sich mit einer Hand durch die ordentlich gekämmten Haare. Jetzt liegen sie wild durcheinander.

‚Nun ist er innen wie außen aufgewühlt.‘, denkt sich die Jugendamtmitarbeiterin und stellt fest, dass damit ihr tägliches Kitsch-Limit erreicht ist. Sie versteckt ihr grimmiges Lächeln hinter einer Fassade der Professionalität.

Gut.“
Aufmunternd lächelt sie ihm zu. Es bringt nichts den Jungen auch noch durch ihre Sicht der Dinge zu verunsichern. Diese Situation ist für ihn schwer genug, auch wenn er nicht zu den Kindern gehört, die vor Aufregung ganz zappelig werden.
‚Außerdem ist es meine Aufgabe die Begegnung mit seiner leiblichen Mutter objektiv zu begleiten.‘, erinnert sie sich selbst.
‚Ich bin ein Puffer, kein Stopper!‘

Ein Mantra, welches sie, besonders in den letzten Jahren ihrer fast dreißigjährigen Berufserfahrung, immer öfter wiederholen muss.

Wenn du noch etwas wissen möchtest, darfst du mich gern fragen.
Sigrid überlegt, ob sie den Jungen gut genug vorbereitet hat. Seine kräftige Statur täuscht leicht darüber hinweg, dass er noch ein Kind ist. Aber er wollte die Begegnung von Anfang an, nicht telefonieren, ein richtiges Treffen von Angesicht zu Angesicht. Seinen Adoptiveltern, ein älteres Ehepaar, welches sehr an ihm hängt, war es wichtig, ihm dabei nicht im Weg zu stehen. Sie redeten davon, dass er seine „Wurzeln“ kennenlernen sollte.

‚Was für ein Schwachsinn.‘ Sigrid schüttelt unbewusst den Kopf, als sie an das Gespräch zurück denkt. Seine Wurzeln sind die beiden Menschen, die ihn zu dem gemacht haben, was er jetzt ist, ein eigensinniger, sensibler und wortkarger Charakter.
‚Vielleicht zu eigensinnig.‘, überlegt sie, während Björn unruhig mit den Füßen über den Boden schleift.

Sigrid steht auf und geht um den Schreibtisch herum zu Björn. Sie lehnt sich an die Kante des Tisches und beugt sich hinunter um dem Jungen ins Gesicht sehen zu können.

Als er ihr sagte, er wollte seine leibliche Mutter sehen, spiegelte seine Körpersprache, sein Blick, Mimik und Gestik eine Vielzahl an Gefühlen. Sie sah Wut und Angst, Hoffnung und die Verunsicherung, trotz seiner bestimmten Worte.
Alles, was sie jetzt sieht, ist eine erschreckende Verbissenheit seine Gefühle nicht zu zeigen. Stattdessen wirft er einen ungeduldigen Blick zu Uhr an der Wand.

Es wird Zeit.“, sie nickt.
‚Ok, Junge, mach bloß keinen Blödsinn.‘ Sie atmet kurz durch. ‚Vielleicht wird es Zeit, es sich mit Stricknadeln zu Hause gemütlich zu machen.‘

Es ist gleich dort um die Ecke.“, erklärt Sigrid, damit Björn sich vorbereiten kann, dann gehen beide schweigend neben einander her. Als sie in den anderen Gang abbiegen, sieht sie die junge Frau im Türrahmen stehen.

‚Verdammt, wie schwer kann es sein in einem Raum zu warten!‘ ,flucht die Beamtin innerlich und bemerkt das kurze Zögern des Jungen.

Das ist Katrin, deine leibliche Mutter.
Sie nickt dem Jungen aufmunternd zu.

Dieser hat die Hände tief in die Taschen seiner Jeans vergraben und starrt auf den Fußboden. Sigrid betrachtet besorgt, wie sich der Körper des Jungen anspannt.

Es tut mir leid, Björn.“, haucht die Frau.

Überrascht von dieser Bemerkung hebt der Junge den Kopf und sieht Katrin endlich an, die Augen voller Trotz.

‚Das ist es, was sie alle sagen. Es tut ihnen leid.‘
Sigrid unterdrückt ein Kopfschütteln. Aufmerksam beobachtet sie die Reaktion des Jungen. Sie wird nicht zulassen, dass er mehr unter Druck gesetzt wird als nötig.

‚Na los, sag was.‘, fordert sie die Mutter in Gedanken auf.

Katrin streckt ihrem Sohn die Hand entgegen.

Ist es zu spät?

Vielleicht.“ Björn blickt unentschlossen auf die ausgestreckte Hand. Der Mund ist zusammengepresst. Einen Moment lang knirscht er mit den Zähnen.

Vielleicht nicht.

„Das Überwinden von Grenzen öffnet Türen in uns, durch die Stück für Stück das Fremde sickert, um ein Teil von uns zu werden.“

Gernot Wolfram – Samuels ReiseGernot Wolfram
Samuels Reise
208 Seiten
Februar 2005
DVA
ISBN 978-3421058317



Ein Mann und ein Junge, die nichts verbindet als die Liebe zu einer Frau. Distanziert betrachten sie einander und werden, nicht ganz freiwillig, auf eine gemeinsame Reise geschickt. Es ist schwer für die beiden eigenwilligen Charaktere miteinander umzugehen. Der in sich gekehrte Übersetzer wird aus den Routinen seines Leben heraus gerissen und soll den Sohn seiner Freundin Anna nach Krakau begleiten. Samuel soll dort seinen Lieblingsschriftsteller treffen. Doch die Reise läuft von Anfang an nicht wie geplant. Der Junge stellt sich als ausgesprochen widerspenstig heraus und scheint fest entschlossen den überflüssigen Begleiter zu ignorieren. Immer wieder geht er eigene Wege.

Dann stellt sich die Begegnung mit dem bewunderten Schriftsteller als Täuschung heraus und der Junge verschwindet.

Die Suche nach Samuel schickt den Erzähler auf eine neue Reise, die ihn diesmal über die eigenen Grenzen gehen lassen.

Nähe und Distanz sind die Themen, um welche die Geschichte kreist. Wobei für mich mehr die Distanz als die Nähe spürbar ist, vielleicht weil der Erzähler sich seinen Abstand erhält, z.B durch seine Namenlosigkeit. Und es wirkt, als hätte er selbst nicht viel Interesse an anderen Menschen. Erst die selbstbewusste Lidia weckt seine Neugierde. Ich glaube, es ist ihre Unabhängigkeit, die angenehme, natürliche Distanz, die sein Wunsch nach Nähe weckt.

Dabei wird durch unterschiedliche Situationen der Einfluss von Wahrheit und Täuschung auf emotionale Nähe bzw. Distanz beleuchtet.
Kann man sich selbst gegenüber nur wahrhaftig sein, wenn man, zB. durch geografische Distanz, Abstand zu sich selbst hat?
Kann Nähe wahrhaftig sein, wenn sie aus Täuschung geboren ist?

Der Autor Gernot Wolfram arbeitet mit diesen Fragen auf verschiedenen Ebenen und mit einer Sprache, die mich an moderne Klavierstücke erinnert, nicht immer melodisch, aber kunstvoll und klingend.

Für mich bleibt Samuel in der gesamten Geschichte der interessantere Charakter. Doch leider erfahre ich nicht viel über über ihn, denn wir bleiben immer beim Erzähler, der mir aber durch seine Zaghaftigkeit und seine egoistische Passivität so gar nicht sympathisch wird.

„Samuels Reise“ ist eine Reise, die viel verändert, jedoch leider nicht mich.

Begegnungen I

20. Mär 2012

Izu II …..  zu III


Wann?“

Noch 10 min.“

Was wenn …?

Mach dir keine Gedanken.

Als wenn ich das abstellen könnte.“

Katrin …“
Er versucht sie an den Schultern zu fassen, ihr Halt zu geben, doch sie weicht zurück und geht hinüber zum Fenster. Im Gegenlicht lässt sich ihr Gesicht kaum erkennen. Er braucht es nicht zu sehen, um zu wissen, wie sie vor Anspannung die grünen Augen zusammen kneift, das Rechte mehr als das Linke und das Kinn nach vorn reckt, um zu vermeiden, dass sie auf ihrer Unterlippe herum beißt.

Ich bin dir dankbar, dass du mitgekommen bist, Thomas.“
Sie dreht sich herum. Rastlos knetet sie ihre Hände.

Ich bin froh, dass ich hier bin.
Er würde am liebsten zu ihr hinüber gehen, doch sie will nicht von ihm beruhigt werden. Aufmunternd nickt er ihr zu, lächelt.

Durch den Raum hindurch kann sie die Wärme in seinem Lächeln spüren. Ohne es zu bemerken, verschränkt sie die Arme und beobachtet dann, wie er sich abwendet, um scheinbar interessiert die Bücher in dem Regal hinter sich zu studieren. Das ist seine Art ihr Raum zu lassen.

Sie ist wirklich froh, dass er mit ihr hier ist, aber sie erträgt seinen liebevollen Blick kaum. Ihre Hände umklammern ihre Oberarme bis es schmerzt. Ihr Blick klammert sich an den Mann auf der anderen Seite des Raumes.
Wenn man das vom Alter gerundete Gesicht nicht sieht, wirkt Thomas mit seinem schlaksigen Körperbau eher wie der 15-Jährige, den sie kennengelernt hatte, als der 30-Jährige, der er jetzt ist.
Sie betrachtet die hellen Haare, seine schmalen Schultern, die langen Arme. Seine dünnen Hände streichelten bei ihrer ersten Begegnung ihren gewölbten Bauch so selbstverständlich, dass sie sich sofort geborgen gefühlt hatte.

Katrin sieht hinüber zur Tür. Aus Angst, den Zeitpunkt zu verpassen, wenn diese sich öffnet, kann sie den Blick nicht mehr abwenden. Sie möchte ihm in dem selben Moment in die Augen sehen, wenn er sie sieht. Die Frage, ob er sie erkennen wird, schiebt sich in ihr Bewusstsein. Mit einem Kopfschütteln versucht sie diese zu vertreiben.
Sie bemerkt nicht, wie sie beginnt mit den Fingerspitzen aufeinander zu tippen. Ihr Daumen berührt die Spitze ihres Mittelfingers, dann den Ringfinger, den kleinen Finger und wieder zurück bis zum Zeigefinger.
Ihr Körper bebt vom unterdrückten Bewegungsdrang.

Besorgt beobachtet Thomas den nervösen Tick seiner Freundin. Die Erinnerungen an damals kommen wieder hoch. Einige Wochen nach ihrer ersten Begegnung stand sie plötzlich zitternd vor ihm. Das dunkle Haar fiel ihr ins Gesicht. Schweigend tippte sie die Finger aufeinander, wie jetzt auch, bis er ihre Hände ergriff und sie an sich zog, ihren Körper in dem übergroßen Pullover mit seinen Armen umschloss.

Katrin.“
Die Sanftheit seiner Stimme löst in Katrin einen Knoten. Das Brennen in den Augen ignorierend stürmt sie zur Tür, in der panischen Gewissheit, dass diese abgeschlossen ist. Niemand wird durch sie hindurch kommen. Selbst wenn er es wollte, er würde es nicht können.
Aber vielleicht würde er es gar nicht wollen. Katrin beißt die Zähne aufeinander. Wichtig ist nur, dass diese verdammte Tür jetzt aufgeht.
Jetzt!
Sie zerrt an der Tür und für eine Sekunde scheint es, als ob diese tatsächlich verschlossen ist, dann gelingt es ihr die Klinke zu drücken.

Vor ihr liegt ein langer Flur mit grauen Wänden und einigen unbequemen Plastikstühlen.
Regungslos steht sie im Türrahmen, nicht willens ihren sich überschlagenden Gedanken Beachtung zu schenken.
Die Aufregung rauscht in ihren Ohren, sodass sie die sich nähernden Schritte nicht hört. Erst als sie den Kopf hebt, bemerkt sie am Ende des Flures die Frau und den Jungen.

Das ist Katrin, deine leibliche Mutter.“
Die Frau vom Jugendamt nickt dem Jungen aufmunternd zu.

Die Ähnlichkeit des Jungen mit seinem Vater erschreckt Katrin. Er ist 14, zwei Jahre jünger als sein Vater damals, doch schon jetzt hat er die gleiche Statur.
Seit der Termin für die Begegnung feststand, war sie alle Möglichkeiten durchgegangen. Sie hatte das Treffen in ihrer Vorstellung so oft wiederholt, dass sie sich jetzt ganz leer fühlt.
Da steht er, ihr Sohn. Die Hände in den Taschen seiner Jeans vergraben. Die breiten Schultern sind hochgezogen und das schwarze Haar ist verwuschelt.
Ihr Sohn, den sie verlassen hatte, den sie weggab, ohne ihn einmal gesehen zu haben.

Es tut mir leid, Björn.“, haucht Katrin.

Überrascht von dieser Bemerkung hebt der Junge den Kopf und sieht Katrin endlich an, die grünen Augen voller Trotz.

Fast schon erleichtert streckt sie ihrem Sohn die Hand entgegen. Hier ist sie die Schuld, ihre Schuld. Sie erkennt sie in seinem Gesicht.

Ist es zu spät?“

Vielleicht.“ Er blickt unentschlossen auf die ausgestreckte Hand. Der Mund ist zusammengepresst. Einen Moment lang knirscht er mit den Zähnen.

Vielleicht nicht.

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Für einen kleinen Schreibwettbewerb (von Lea Korte ) schrieb ich 3 verschieden Versionen einer Szene. Zu gewinnen gab es einen Monat von ihrem Online-Autoren-Schreibkurs. Da wollte ich natürlich unbedingt mein Glück versuchen. Leider hat es nicht für mich nicht geklappt. Dennoch wollte ich euch die kurzen Szenen gerne vorstellen.

Heute gibt es die erste Version, die ich auch bei Lea eingereicht hatte. Viel Spaß beim Lesen und freue mich auf Kommentare.

Fast würde ich es gute Fanfiction nennen. Jedenfalls scheint mir, als habe der Autor hier all die Dinge zusammen getragen, die er selbst am liebsten mag. Der klassische Krimi wird mit Steampunk gemischt und mit Zombie Apokalypse und einer Spur Action gewürzt. Und zählt eine mechanisch gepimpten Queen Victoria eigentlich schon zu SciFi?

George Mann
Affinity Bridge
448 Seiten
erschienen im September 2011
Piper Fantasy
ISBN 978 – 3492702386

Sir Maurice Newbury ist im Auftrag der britischen Krone, unterwegs und ermittelt in den außergewöhnlichen Fällen. In ihm finde ich so viele meiner Lieblingsfiguren wieder, das Britisch-Aristokratische eines Lord Peter Wimseys, z.B., ohne jedoch an dessen Lässigkeit heran zu reichen. Genauso wenig kann leider Newburys Assistentin Veronica Hobbes Wimseys Partnerin Harriet das Wasser reichen. Auch erkenne ich den großen Sherlock Holmes – aber eher aus den Guy Ritchie Filmen, als den Conan Doyle Büchern – in Newburys Enthusiasmus gegenüber der Technik, der dunklen Leidenschaft für Drogen und der aufkommenden Unruhe, wenn es nichts zu tun gibt, allerdings fehlt ihm Holmes Genialität. Im Gegenteil, manchmal wirkt der gute Mann etwas schwer von Begriff. Ich finde außerdem noch ein wenig von Indianer Jones und James Bond in Newburys Persönlichkeit und, fast hätte ich es vergessen, natürlich, John Sinclair. Hier, muss ich sagen, ist George Manns Buch sprachlich dem Original ein wenig voraus.

Steampunk, Zombies und klassischer, britischer Krimi, wie passt das zusammen? Eigentlich überraschend gut.

1901: In einem nebeligen London sterben die Menschen in dem ärmlichen Viertel Whitechapel. Die Menschen haben Angst vor dem Geist eines Polizisten, der die Morde begehen soll. Wenn es um Geister geht, ist Newbury in seinem Element, denn das Mystische, das Übernatürliche ist sein Spezialgebiet. Doch bevor er dem Chief Inspector von Scotland Yard bei diesem Fall helfen kann, stürzt eines der dampfbetriebenen Dampfschiffe ab, die Londons Himmel bevölkern. Die Königin persönlich setzt Newbury auf diesen Fall an.

Oh, und dann gibt es noch die Zombies, die Londons Straßen unsicher machen. Sie haben zwar nur bedingt etwas mit der Handlung zu tun, machen aber Spaß und Spaß muss sein.

Eigentlich ist die trashige Ansammlung der coolsten Details aus Buch und Film wirklich unterhaltsam zu lesen und lässt mein Nerd-Herz höher schlagen. Doch leider ist der Schreibstil unglaublich bevormundend. Man überlässt es mir nur selten selbst, die Situation oder Person zu begreifen. Lässt der Autor zB. die Assistentin Veronica seufzen, die Augen niederschlagen und sich in den Stuhl sinken, ist es nicht meiner Fantasie überlassen, in ihr die Erschöpfte zu erkennen. Der Autor will anscheinend kein Risiko eingehen, dass womögliche falsche Eindrücke aufkommen und schreibt sicherheitshalber noch einmal explizit, wie abgekämpft die nette Dame ist. Das ist auf die Dauer ermüdend. Und dann sind da diese Kampfszenen. …

„Er legte sein ganzes Gewicht in den Stoß und durchbohrte den Leib des Wesens. Das Schwert drang tief ein, sogar das Heft versank im Bauch der Kreatur. Er drehte die Klinge herum und bemühte sich verzweifelt, das böse Geschöpf aufzuhalten und irgendeine Art von Reaktion zu erzwingen. Unbeeindruckt stürmte das Ungeheuer weiter auf Hargreaves los, der inzwischen die Klinge fahren gelassen hatte und mit bloßen Händen auf das Gesicht des Gegners einschlug, während er sich zugleich wand, um den Raubtierklauen des Angreifers zu entgehen. Nicht lange und er zuckte nur noch anfallartig, denn er hatte nichts ausrichten können, und das Wesen hatte ihn an sich gezogen und ihm mit einem einzigen schrecklichen Schnappen die Kehle herausgerissen.

Entsetzt zog Coulthard den Säbel zurück und schlug nach dem Angreifer, der den erschlafften Körper seines Freundes festhielt.“

Nach allem was passiert, kann er den Säbel, der tief in den Gedärmen des Monsters steckt, hinausziehen?

Naja vielleicht fehlt es mir einfach an Fantasie den von George Mann beschriebenen Bewegungsablauf nachzuvollziehen. Auch ein späterer Kampf auf dem Dach einer fahrenden Strassendampflok spielt sich ähnlich ab. Wobei … als schnelle Action-Filmszene würden die Kämpfe bestimmt gut aussehen.

Der Auftakt zu einer neuen Streampunk – Krimreihe ist kein Buch zum Nachdenken und auch nicht um in einer schönen melodischen Sprache zu schwelgen. Aber es ist unterhaltsam und mit vielen „Das kenn ich doch“- Momenten gespickt.

George Mann

nacht für nacht

05. Mär 2012

himmelstrunken
stehe ich
im Firmament
ewiglich
den Blick versunken

bodenschwer
stehe ich
verwachsen
ewiglich
im Efeu Meer

*

Nacht für Nacht
für Nacht für
Nacht

*

das Mondlicht verwehrt
von Wolken beschwert
mein Blick unverwandt
in Erinnerung gebannt

sehe ich
ewiglich
meinen Stern

*

inspiriert von einem Foto von Sarolta Bán

nacht für nacht

27. Feb 2012

die Andeutung von Licht
den Mond sieht man nicht
das Echo der Sterne
verhallt in der Ferne

nur begleitet vom Wind
schläft das Kind
in mir

nacht für nacht
bis das Kind
erwacht