Der Weltenbaum VIII – die nachtblaue Weltenblüte

25. Nov 2010

Teil 7
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Eigentlich sollte Vallaria völlig geschafft sein. Sie hatten ihre Freizeit gekürzt und dafür das Training verdoppelt. Trotzdem schafft es Val nicht sich ein Lächeln zu verkneifen. Es war ganz sicher kein Traum. Sie hatte Kontakt hergestellt.

Als man ihr die Nahrungsportionen kürzte und statt der freien Zeit nach der Meditation sofort das Licht auf Nacht dimmte, war Vallaria klar, dass sie Recht hatte. Sie hatte den Kontakt hergestellt, auf den man sie so lange vorbereitet hatte und die Männer, deren Blicke sie durch die Kameras spürt, wollen nun wissen, was sie gesehen hat. Und weil sie ihre Traumerfahrung vor ihnen verschweigt, bestraft man sie.

Vallaria zuckt zusammen, als sie das Geräusch der Luftschleuse hört. Das passiert ihr in letzter Zeit immer wieder. Sie hasst dieses Geräusch, weil es sie mit seiner perfekter Regelmäßigkeit daran erinnert, dass sie keine Macht über ihre eigene Zeit besitzt.

Aber es ist nicht richtig, also die Zeit ist nicht richtig, die Schleuse ist zu früh.
Überrascht dreht sich Val um. Aufgeregt wippen die Spitzen ihrer Haarstengel um ihre Hüfte. Der dunkelhaarige Labormitarbeiter würdigt sie keines Blickes. Mit einer fahrigen Handbewegung berührt er seinen Nasenprotektor, während er den Raum durchquert.

Und mit einer unerwarteten Klarheit, erkennt Vallaria, was in dem Techniker vorgeht. Die Trainingseinheiten zum Deuten von Gestik und Mimik waren nie eine besondere Stärke von ihr, aber nun fallen ihr die zittrigen Händen und die winzigen Schweißperlen auf. Der Mann hat Angst, um exakt zu sein, er hat Angst vor ihr.
Die Übungen zur Körpersprache sind vorbereitend für ihre spätere Aufgabe. Um sein Gegenüber manipulieren zu können, muss man ihn verstehen und in der Lage sein, die richtigen Bewegungen zu imitieren, um damit das gewollte Verhalten hervorzurufen. Das bewusste Manipulieren eines Anderen kam ihr immer falsch vor. Das ist wie Lügen, aber sie hatte ja keine Wahl. Vielleicht könnte es jetzt jedoch hilfreich sein.

Als der Techniker zum Monitor hinüber geht, weicht Val zurück und geht in einem kleinen Bogen Richtung Schleuse, ohne dass der Techniker bemerkt, dass ihm der Rückweg abgeschnitten ist. Er macht sich am Monitor zu schaffen. Dass sie ihr die einzige Möglichkeit nehmen, sich zu beschäftigen, ist wohl eine weitere Strafe für ihr Schweigen. Aber Vallaria braucht das Fernsehen nicht mehr, denn in ihren Träumen kann sie nun jederzeit jede Welt besuchen, die sie möchte.

Nachdem er mit wenigen Handgriffen den Monitor entfernt hat, blickt sich der Techniker suchend um und erkennt, dass er nicht ohne weiteres an ihr vorbei kommt. Val lächelt unschuldig. Sie beherrscht ihre Mimik perfekt. Ein weiterer Teil ihrer Ausbildung. Mit großen Augen schaut sie zu ihm hinüber, blinzelt unsicher. Ihr Mund ist leicht geöffnet, als würde sie über etwas wundern. Kurz überlegt sie, ob das wohl die angemessene Reaktion für den Verlust ihres Monitors wäre. Als er nicht weiß, wie er reagieren soll, senkt sie den Blick. Sie darf nicht zulassen, dass er in Panik ausbricht und andere auf die Situation aufmerksam macht. Sie gibt den Schleusengang also frei, bleibt jedoch mit zusammengesunkenen Schultern daneben stehen. Unauffällig macht sie sich kleiner, kreuzt die Beine und knetet ihre Finger, Indikatoren von Schwäche. Der Techniker darf sich nicht bedrängt fühlen. Wenn er sie bemitleidet, macht er vielleicht Fehler.
Tatsächlich sieht sie, wie er die Schultern strafft und ein erleichtertes Lächeln in sein Gesicht huscht. Er bemerkt nicht, wie sich der Geschmack der Luft verändert.

Der Überwachungsmonitor in der Zentrale zeigt einen steigenden Pheromongehalt der Luft an, was nicht allzu ungewöhnlich ist. Der Techniker in Vallarias Zimmer ist ein Stressauslöser, bei dem Vallarias Stoffwechsel, wie erwartet, eine natürliche Droge ausschüttet, die bei möglichen Feinden den Adrenalinwert senkt, um so Aggressionen zu verhindern. Außerdem wirkt diese Droge auf animalischen Instinkte, die die Paarungsbereitschaft erhöhen. Aus diesem Grund wurden die Protektoren entwickelt.

Vallaria versucht sich ihre Aufregung nicht anmerken zu lassen. Seit kurzem erst kann sie ihre Droge bewusst einsetzen. Das ist noch eine aufregende Veränderung, die sie verschweigt.
Aus den Augenwinkeln beobachtet sie, wie sich der Techniker langsam der Tür nähert. Obwohl er versucht sie nicht anzusehen, versichert er sich immer wieder mit einem schnellen Blick, dass sie sich nicht bewegt.
Die Sicherheitslektionen des Konzerns waren eindringlich. Er ist sich nicht sicher, aber sie scheint ihm harmlos. Ihr Lächeln ist unschuldig und so hinreißend, dass er vergisst, wie fremd sie aussieht mit dieser hellgrünen Haut und den Gliedmaßen, die alle einen Tick zu lang scheinen. Sie wirkt eher schmal und zerbrechlich auf ihn, ganz im Gegensatz zu der gefährlichen Kreatur, vor der er gewarnt wurde. Doch die energischen Wiederholungen der Anweisungen im Umgang mit der Gamma lassen sich nicht einfach ausblenden.

Mit einem leisen Seufzer des Bedauerns hebt er die Hand, um das Touchpad der Schleuse zu berühren, da spürt er ihre Hand auf seinem Arm. Das Vermeiden von Körperkontakt war der wichtigste Punkt der Sicherheitsvorschriften.
Obwohl der Nasenprotektor den Techniker vor der Veränderung in der Luft schützt, hilft ihm bei einer Berührung nichts, da die Droge auch über die Schweißporen aufgenommen werden kann.

„Was soll ich denn jetzt ohne Monitor machen?“ Val blinzelt dem Techniker zu.

Verstört öffnet der Techniker die Tür und stottert: „Ich… vielleicht… ich muss gehen.“, und eilt aus dem Raum.

Mhpf.“ Enttäuscht lässt sich Val aufs Bett fallen. Sie ist sich nicht sicher, was sie erwartet hatte, aber so sollte es nicht laufen.

4 Responses to “Der Weltenbaum VIII – die nachtblaue Weltenblüte”

  1. Thomas Says:

    Apropos Verlinkungen: Die Links von VI auf VII und von VII auf VIII sind nicht aktiv und in der Übersicht fehlen VII- IX. Liebe Grüße …

  2. Thomas Says:

    Aha, wieder ein SF-Teil. Faszinierend, ich muss aber zugeben, dass ich langsam den Überblick verliere. Irgendwann muss ich das alles am Stück lesen. Bin so vergesslich …

    • wortsplitter Says:

      ja ich denke, dass ist allg ein Problem, vielleicht hab ich zu dolle gestückelt. Aber die Teile sind ja nicht weg, man kann sich ja durch die Verlinkungen gut von einem Teil zum anderen hangeln. Danke für das treue Lesen
      🙂

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